miss_doubt Moderatorin eingetragener Unterforen
Geschlecht: Alter: 45 Anmeldedatum: 10.03.2008 Beiträge: 337 Wohnort: Bayern
|
Verfasst am: 23.04.2008, 18:08 Titel: Provokant/unmöglich/interessant? "Weder tot noch lebend |
|
|
Hallo,
an dieser Stelle, da ich nun etwas Abstand zu diesem Buch gewonnen habe, möchte ich Euch auf ein Buch aufmerksam machen, das es in sich hat; in jeder Hinsicht.
Das Buch heißt:"Borderline - weder tot noch lebendig" von J.E. Mertz.
Als ich den Titel gelesen habe wusste ich sofort, dass ich das lesen möchte, kennzeichnet dieser kurze aber prägnante Satz doch recht treffend meine Gemütslage (zumindest meistens).
Allerdings, und das sage ich ohne Übertreibung, habe ich noch nie ein Buch gelesen, welches mich so aufgewühlt und beschäftigt hat. Ums knapp zu machen: ich hatte ernsthafte Selbstmordphantasien über einige Wochen lang, nachdem ich mit der Lektüre fertig war.
Das ist sicher von Mensch zu Mensch verschieden, aber dennoch möchte ich an dieser Stelle ein deutliches "vorsicht!" aussprechen. Lest das Buch nur, wenn Ihr Euch stabil fühlt und Euch mit der Borderlinethematik auseinandergesetzt habt.
Den Inhalt dieses Buches bewerte ich selbst sehr ambivalent: einerseits hat der Autor es stellenweise geschafft eine meines Erachtens nach sehr treffende Beschreibung des Borderlinezustandes zu liefern. So treffend, dass ich echt bestürzt war.
Andererseits lässt der Autor durchblicken (meine ich zumindest), was er von der "Spezies" Borderline hält: nämlich gar nichts. Ich weiß nicht, ob die Motivation dieses Buch zu schreiben auf persönlichen, verletzenden Erfahrungen mit einem Borderliner beruhen, es erscheint mir jedenfalls so.
An dieser Stelle wäre dann auch der Augenblick gekommen, sich von seinen teilweise sehr interessanten jedoch überwiegend anmaßenden und verletzenden Thesen zu distanzieren. Um nur einige zu nennen: Borderline ist unheilbar, man findet sich entweder damit ab oder bringt sich besser um. Oder: Borderline ist eine Unterform des Autismus. Oder: plötzlicher Kindstot ist darauf zurückzuführen, dass die Mütter Borderline haben und die Kinder lieber sterben, als mit solchen Müttern aufzuwachsen.
Über den Autor selbst erfährt man recht wenig, auch im Internet habe ich nichts über ihn ausfindig machen können. Stellenweise driftet er ab in völlig abstruse, philosophische Gefilde.
Also: wer sich gefestigt genug fühlt kann ja mal reinlesen. Es ist mal eine völlig neue (und hoffentlich nicht öfters vertretene) Blickrichtung auf das sogenannte Borderline-Syndrom.
Ich würds mir allerdings leihen. Denn angesichts einiger Inhalte wäre es eher angebracht, dem Leser Schmerzensgeld zu zahlen statt diesen zur Kasse zu bitten.
Taschenbuch: 314 Seiten
Verlag: Thieme, Stuttgart (2000)
ISBN-10: 3131259515
ISBN-13: 978-3131259516
Liebe Grüße,
Miss_Doubt _________________ Ironie ist unglückliche Liebe zum Leben; der Versuch des Kopfes, sich des Herzens zu erwehren. |
|