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Dem Täter vergeben?



Dieses Thema ist heiß umstritten und wird oft diskutiert. Es bilden sich meist zwei Fronten, die einen meinen es wäre nötig dem Täter zu vergeben um zu heilen, die anderen wollen und können ihm niemals vergeben und sind voller Hass auf ihre Täter. Dann gibt es noch eine ganze Menge "Überlebender", die gerade einmal einen Bruchteil der Menschen erkannt oder erinnert haben, welche Ihnen auf vielfältige Weise psychischen und physischen Schaden zugefügt haben. Es gibt eigentlich kaum Opfer, wo nur ein Täter am Werk war und der Seele/Psyche Wunden zugefügt hat.
Je brutaler und massiver die Tat/Taten waren, desto leichter fällt es dem Überlebenden sie zu erkennen und zu wissen wo Wut und Hass ihren Ursprung haben. Meist sind die körperlichen bleibenden Schäden, gegenüber den seelischen gering und wesentlich seltener. Natürlich gibt es auch viele Überlebende/Opfer, bei denen durch brutale Gewalt und andere Quälereien auch körperliche (physische) Schäden ein Leben lang an das Geschehene erinnern. Doch auch bei ihnen werden durch seelische Schmerzen (also psychische Schädigung), die Schmerzen und Qualen um ein Vielfaches erhöht.
Je grösser die emotionale Abhängigkeit vom Opfer zum Täter ist, desto schwerer fällt es den meisten Betroffenen die wahren Gefühle zu erkennen, verstehen und zuzulassen. Für das hilflose Kind war es überlebenswichtig "nicht zu merken", denn es war angewiesen auf die Zuneigung von Eltern und Bezugspersonen. Doch leider werden die Denkblokaden während der Kindheit so fest zementiert, dass es auch dem erwachsen gewordenen Opfer nur schwer gelingt sie zu durchbrechen.
So trauen sich nur wenige Überlebende/ Opfer ihre Wut, ihren Hass, ihre Empörung auf die Eltern (oder andere nahestehende Täter) auch zu zulassen. So höre ich sehr oft, dass sie sogar sicher sind ihre Täter zu lieben und das was ihnen angetan wurde herunterspielen oder von Vergebung sprechen.
Liegt die Tat erst kurze Zeit zurück, beim erwachsenen Opfer/Überlebenden so können die Gefühle eher zugelassen werden. Am leichtesten scheint das zu sein, je fremder der die Täter dem Opfer ist.
Doch oft geschahen auch schon davor Übergriffe, die die Psyche geschädigt haben, doch daran vermag sich der Überlebende erst im Laufe einer Therapie zu erinnern oder es kommen unerwartet Bilder von früher hoch. Doch oft bleiben die ersten und frühesten Ereignisse gut verschlossen und hinter "Denkblokaden" verborgen.
Leider ist es auch heute in der Psychotherapie noch meist üblich, den Patienten zu erzählen, wenn sie Tätern vergeben, mit ihnen inneren Frieden schließen, werde Heilung eintreten. Dies geschieht nachdem es gestattet wurde einen Teil der Gefühle herauszulassen.
Es tritt auch nach der Therapie oft eine scheinbare Besserung ein und der Patient denkt er wäre geheilt. Unterstützt wird dies oft von als harmlos angepriesenen chemischen Medikamenten, die aber leider auch nur wieder dazu beitragen, dass viele Facetten des geschehenen Missbrauchs/ Misshandlungen wieder besser gut verdrängt werden können.

Dies ist in meinen Augen keine Heilung und führt dazu, dass bei der nächsten Situation wo Seele und Psyche wieder stark belastet werden, oder mehrere aneinandergereihte kleinere Belastungssituationen, das "Seelengeschwür" erneut aufplatzt und das ganze "Gefühlsdrama" von vorne beginnt.

Ich denke, dass jeder selber auf seinem Heilungweg entscheiden kann ob er er seinem Täter vergibt, den Kontakt für immer abbricht oder ihn/ sie meidet oder ihn abgrundtief hasst und eine fast unbändige Wut auf ihn hat oder ähnliches. Dabei ist es wichtig, sich nicht von anderen beeinflussen zu lassen, sondern auf die eigenen Gefühle zu hören.

Doch ich halte es für einen guten und wichtigen Schritt den Täter mit seinen Taten zu konfrontieren, ihn wissen zu lassen, welche Qualen man gelitten hat und noch immer leidet. Man darf es sich gestatten, seiner ganzen Empörung Ausdruck zu verleihen. Dies ist sicherlich sehr schwer und schmerzhaft in den meisten Fällen, doch es führt zu einer dauerhaften Heilung vieler psychischer und psychosomatischer Erkrankungen und Symptomen.
Es geht auch nicht von heute auf morgen, sondern erfordert Zeit und Geduld des Überlebenden. Es gibt viele Wege seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, es ist wichtig, dass man sich gestattet die Wut und Hassgefühle auch zu zulassen.
Ich habe furchtbar getobt, gebrüllt, vor Wut geheult und viel zerschlagen, mir dabei vorgestellt, dass ich meine ganze Wut an einem Täter auslasse. Das Gefühl der Befreiung, das ich anschließend erlebt habe war jedesmal überwältigend.
Soweit meine Täter noch leben oder aufzufinden waren, habe ich sie mit ihren Taten konfrontiert und dann entscheidet ihre Reaktion darüber ob ich ihnen jemals vergeben kann oder ob sie mir gleichgültig werden.
Gibt ein Täter seine Taten zu, versucht mich zu verstehen, zeigt ehrliches Mitgefühl und Betroffenheit, bestätigt mir, dass das alles auch wirklich geschehen ist, dann ist es mir möglich ihm/ihr zu verzeihen. Dies hängt auch sehr nahe damit zusammen wie schlimm die Geschehnisse für meine Psyche waren und ob sie im Sinne des Gesetzes auch Straftaten waren. Entscheidend ist auch gewesen, ob der Täter selber um Vergebung gebeten hat.
Ich kann nicht vergeben oder auch nur daran denken, wenn ein Täter alles oder teilweise abstreitet, Mitleid heuchelt, mich der Lügen bezichtigt, sich versucht raus zu reden und anderen die Schuld zuweist.
Mit diesen habe ich den Kontakt abgebrochen und sie sind mir mittlerweile gleichgültig.

Oft habe ich auch schon gehört, dass die Überlebenden von ihren Tätern bedroht werden, wenn sie oder falls sie, wagen das Schweigen zu brechen.

Ich möchte damit sagen, dass ich es für gleichgültig halte auf welchem Wege man sich emotional von seinen Tätern los löst. Für mich ist es entscheidend gewesen, dass ich mich auf eine der beiden Weisen von ihnen gelöst habe und nun ein neutrales Verhältnis zu ihnen entwickelt habe.
Ich denke, es ist egal ob man seinen Täter liebt oder hasst, es bedeutet beides emotional noch an ihm zu hängen.


Ich hoffe, dass ihr alle den für Euch richtigen und dauerhaften Weg findet, habt Geduld mit Euch selber und passt auf Euch auf.

Alles Liebe
jK




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