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Tips für Verbündete, oder Menschen die es werden wollen, Teil 1

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Jeder von Missbrauch Betroffene ist froh, wenn es jemanden gibt, der ihm glaubt ohne das Gesagte anzuzweifeln. So kannst Du schon allein dadurch helfen, wenn Du einfach nur zuhörst und auch glaubst, was Dir erzählt wird. Bemerkungen, wie zum Beispiel:
"das kann es doch nicht geben",
"warum hast Du denn nie etwas erzählt",
"warum bleibst Du denn dann noch bei ihm/ ihr/ in Deiner Familie",
"vergiss das doch einfach wieder",
"so schlimm war es doch nicht",
"das hast Du doch alles erfunden",
"anderen Menschen geht es schlechter"
oder ähnliches, sind wirklich unangebracht. Sie können den Mut, den der Betroffene aufgebracht hat um Dir seine Geschichte zu erzählen, vollkommenen niederschmettern. Opfer "schreien" meist lautlos um Hilfe, oft vergebens. So kann es zum Beispiel ein Hilfeschrei sein (auch unbewusst), wenn jemand im totalen Chaos lebt, Drogen nimmt (legale oder illegale), ständig krank ist, einen Unfall nach dem anderen hat, sehr schweigsam und zurückhaltend ist, niemandem vertraut, ständig unangepasst reagiert und noch vieles mehr.
Das Groteske ist, dass auch genau das Gegenteil der Fall sein kann, also der Betroffene lebt in einem Ordnungswahn, Gesundheits-, und Sicherheitswahn (riskiert nichts, überlässt nichts dem Zufall), bringt sich immer in den Mittelpunkt, vertraut fast jedem, passt sich zu jeder Zeit der Situation an und noch vieles mehr.
Solange das Opfer sich immer wieder in die Opferrolle hineinbegibt, kannst Du Deine Hilfe zu jeder Zeit anbieten. Du kannst Dich in Beratungsstellen und durch lesen kundig machen, was in dem Opfer vorgeht und wie es sich fühlt und warum es nicht aus der Opferrolle flieht.
Der erste Schritt vom Opfer zum Überlebenden ist, das Schweigen zu brechen und genau das geschieht ja, wenn Dir ein Opfer seinen Missbrauch schildert. Lass den Betroffenen in Ruhe erzählen, wenn Tränen fließen kannst Du trösten (mit Worten, oder falls möglich durch körperliche Nähe, Hand halten), Taschentücher reichen, eine warme Decke holen, etwas warmes zu trinken anbieten. Für mich war es sehr wichtig nicht bemitleidet zu werden, sondern Mut zugesprochen zu bekommen. Es ist gut alles heraus zu lassen. Eben endlich das Schweigen zu brechen.
Wenn Wut aufkommt, ermuntere den Betroffenen dazu, sie heraus zu lassen ohne Verletzungsrisiko. Du kannst dem Betroffen anbieten in ein Auto zu gehen und dort laut zu brüllen, mit einem Tennisschläger oder ähnlichem auf das Bett oder Kissen zu schlagen, mit den Fäusten auf ein Sofa einzuschlagen, ein Stück zu rennen, Holz klein zu hauen, ein Loch im Garten graben, einen Hassbrief an den Täter zu schreiben. Auf jeden Fall ist es sehr wichtig, dass der Betroffene seine Wut nicht unterdrückt oder gegen sich selber richtet.
Wenn Du mit einem Betroffenem zusammen lebst, so kann dass oft sehr belastend für Dich sein. Du solltest immer daran denken, dass Überlebende oft Probleme mit dem Sortieren ihrer Gefühle haben. So sind heftige Gefühlsausbrüche in unerwarteten Situationen nicht selten. Wenn sie dich treffen, ist es gut wenn Du sie nicht persönlich nimmst, sondern mit den lange verdrängten Ereignissen der Vergangenheit erklärst. Das Opfer hat nie lernen dürfen mit seinen Gefühlen umzugehen.
Überlebenden fällt es meist sehr schwer um Hilfe zu fragen oder Hilfsangebote anzunehmen. Du kannst dem Betroffenem auch vorschlagen zu einer Beratungsstelle zu gehen. Jedoch solltest Du nie darauf drängen.
Wenn es Dich zu sehr belastet, solltest Du dich nicht scheuen auch die Hilfe einer Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Auch Verbündete brauchen Hilfe um zu verarbeiten. Auch der Austausch mit anderen Verbündeten kann helfen. Ich empfehle auch das Buch "Verbündete" von Laura Davis, es kann eine gute Hilfe sein um den Betroffenen besser zu verstehen und angemessen zu reagieren.

Teil2 ist auch schon fertig, hab ihn direkt hier drunter gesetzt.

Alles Liebe
jK




Tips für Verbündete, oder Menschen die es werden wollen, Teil 2

Verbündete haben einen sehr schweren Stand, besonders wenn sie der einzige Ansprechpartner für den Überlebenden sind. Oft ist es für sie sehr belastend, um all das Leid des Opfers/ Überlebenden zu wissen und nicht wirklich helfen zu können,
Ich möchte Euch an dieser Stelle sagen, dass der Weg der Heilung, ein sehr schmerzhafter, langer und manchmal auch unvorhersehbar ist. Der Überlebende erlebt all das Leid und den Schmerz noch einmal und das bewirkt eine Heilung der Seele. Lange, oft zu lange unterdrückte Gefühle kommen und gehen im Wechsel. Der Überlebende ist sehr verletzlich und es hilft bei vielen sehr, wenn man auf den Umgangston und das Gesagte achtet. Kritik am Überlebenden ist meist für ihn sehr verletzend, besonders wenn andere mithören.
Überlebende ihrerseits können auch sehr verletzend sein zu ihren Verbündeten. Das solltet ihr nicht persönlich nehmen. Doch wenn die Emotionen sich wieder gelegt haben, kann man natürlich den Überlebenden darauf aufmerksam machen, dass man verletzt wurde.
Wie schon erwähnt, ist der Ton und die Wortwahl meist auch wichtig. Formulierungen wie zum Beispiel:
"Du musst", "Du sollst",
kann man durch, "Du kannst", "Du könntest"oder
"Vielleicht wäre es eine gute Idee..."
ersetzen.
Auch bei der Fragestellung kann man
"muss ich...?" oder "soll ich...?" durch
"darf ich..." oder "kann ich..."
ersetzen. Überlebende sind oft übersensibel und unbedacht oder im groben Scherz ausgesprochene Worte, können sie tief verletzen.
Ich finde es auch sehr wichtig, dass Verbündete auf sich selber achten und sich nicht vor lauter Mitleid selber sehr belasten. Man ist schneller in der Opferrolle, als man zu denken vermag und leidet unnötig. Der Verbündete, gerade als Partner, wird auch nicht darum herum kommen, sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen. Gar nicht so selten ist nämlich, das auch bei ihm in der Vergangenheit etwas war, was die Psyche sehr belastet und gerade jetzt heraus kommt.
Man hat sich ja auch oft wegen scheinbarer Gemeinsamkeiten oder Gegensätzlichkeiten ausgesucht.

Es geschieht auch, dass in einer gut geführten Partnerschaft, bei einem eines Tages Erinnerungen an einen geschehen Missbrauch wieder kommen. Das stellt die Beziehung auf eine schwere Probe. Meist fällt es dem Überlebenden sehr schwer mit dem Partner darüber zu reden, weil der Überlebende Angst davor hat verlassen oder nicht mehr geliebt zu werden, Scham-,und Schuldgefühle haben.
Es ist für Überlebende besonders schlimm, wenn der Partner abweisend und verletzend reagiert. Alles ist auf einmal anders, oft ist Nähe für Überlebende nicht mehr möglich. Oft distanzieren sich Überlebende schon bevor die ersten Erinnerungen kommen von ihren Partnern, körperliche Nähe wird für sie zur Qual oder gar unmöglich. Für den Partner ist das ohne Information nicht nachvollziehbar und auch oft verletzend, die Emotionen können sich unbemerkt anstauen und ausbrechen.
Es kann sich ein Teufelskreis ergeben, aus dem man ohne Hilfe von Dritten nicht heraus kommt.
Deshalb möchte ich hier noch einmal erwähnen wie wichtig es für beide, Überlebenden und Verbündeten ist, sich Hilfe von Dritten zu suchen und auch anzunehmen.
Es ist ein Zeichen von Stärke sich Hilfe zu suchen und nicht von Hilflosigkeit.

Ich wünsche Euch, dass Ihr gemeinsam einen Weg findet und Euch dies Tipps ein wenig weiter helfen.

Alles Liebe
jK


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