Geschwister als Täter, Kinder als Täter

Leider gibt es zu diesem Thema noch sehr wenig Literatur, vor allem in deutsch. Da mich einige Betroffene darauf ansprachen, ob ich da nicht auch mal was drüber schreiben kann, hier nun meine Gedanken und Erfahrungen zu dem Thema.

Ich habe mittlerweile viele Betroffene kennengelernt, bei denen Bruder oder Schwester die Täter/ Mittäter waren oder noch sind. Das ist leider gar nicht so selten wie Viele meinen, und scheint unter den Tabu-Themen noch einmal "extra-Tabu" zu sein. Verfestigt durch die Freudsche Lehre die sich hartnäckig hält, obwohl es mittlerweile viele wissenschaftliche Studien gibt, die das Gegenteil beweisen. Es gibt auch diese nahezu unvorstellbare Variante des Missbrauchs und der Misshandlung durch die eigenen Geschwister oder Kinder aus der Verwandschaft und Bekanntschaft.
Es kommt unter Geschwistern auch zu jeder erdenklichen Art von Missbrauch und Misshandlung, die man sich nur vorstellen kann. Psychisch und physisch wird Gewalt ausgeübt, Macht demonstriert, manipuliert und schikaniert, oft begleitet oder nur durch sexuelle Handlungen. Dem Alter des Opfers sind hier nach unten hin keine Grenzen gesetzt, der Missbrauch oder die Misshandlung kann schon in den ersten Lebenstagen durch Geschwisterkinder erfolgen.
Ich möchte hier noch erwähnen, dass es auch unter Nichten und Neffen, mit verschiedenem Altersunterschied zu Übergriffen kommt. Genauso kommt es oft durch Babysitter zu Übergriffen an Kindern.
Wie kann es nun dazu kommen? Meiner Meinung nach, wird niemand zum Täter, wenn er nicht vorher mindestens einmal ein Opfer war. Oft ist es sehr schwer zu erkennen in welcher Art und Weise ein Kind Opfer war und warum es nun zum Täter an seinen Geschwistern oder anderen psychisch schwächeren Kindern wird. Auch in der Schule finden vielerlei Übergriffe statt, oft in einer stärkenden Gruppe, die von einem angeführt wird, der alleine selber sehr schwach ist.
Die Pädagogen stehen dem meist machtlos und oft auch unwissend gegenüber. Oder sie reagieren falsch, spielen das Geschehen herunter, bieten keine vernünftige Hilfe an usw.
Das hilft dem Opfer leider wenig und macht die Taten nicht weniger schlimm, oder gar harmlos. Für das kindliche Opfer ist es ein emotionaler Spießrutenlauf, die Möglichkeit sich an die Eltern zu wenden, scheint meist unmöglich. Sich an öffentliche Beratungsstellen zu wenden erscheint noch schwerer.
Wenn ein Kind das Schweigen bricht, so trifft es bei den Eltern oft auf Unverständnis und Ablehnung, ihm wird die Schuld an dem Geschehen gegeben.
Es wird angehalten zu schweigen und zu vergessen, oft unter Strafandrohung. Oder ihm wird erst gar nicht geglaubt und es als Lügner hingestellt. Es wird behauptet, die Geschichten entspringen seiner Fantasie und seien eigene "Wunschträume".
Die Kinder "schreien" deshalb lautlos um Hilfe, entwickeln "Überlebensstrategien", die meist von Angst und Verzweiflung geprägt sind. Oder sie verdrängen das Geschehene vollkommen über Jahre hinweg, bis eines Tages dieses "schmerzende Seelengeschwür" aufbricht und sie sich wieder erinnern können, was einst geschah.
Oder der Körper meldet sich und bringt durch Schmerzen und Krankheiten die Unterdrückung der Gefühle zum Vorschein. Es entwickeln sich psychische Krankheiten oder psychosomatische Symptome, ohne den erkennbaren wahren Grund.
Auch erwachsen gewordene Kinder stossen oft auf Unverständnis und Ablehnung bei den Eltern und Verwandten. Das Familiengeheimniss soll um jeden Preis gewahrt bleiben.
Für das Opfer entwickelt sich daraus ein totales gefühlsmässiges Chaos, das nicht selten auch zu tiefen Depressionen und Suizidgedanken führt. Auf der einen Seite liebt es Eltern und Geschwister und ist von ihnen auch emotional abhängig, andererseits leidet es tagtäglich unbeschreibliche seelische Qualen durch die Unterdrückung der Gefühle.
Doch ist es auch hier möglich zu heilen und einen Weg heraus aus dem Dunkel zu finden, er ist genauso schwer und lang, wie auch der Heilungsweg von anderen Opfern deren Missbrauch/ Misshandlung nicht durch andere Kinder statt fand, sondern erwachsene Täter.

Alles Liebe
jK

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